Von Geldstrafe bis zu fünf Jahren Gefängnis: Bundeskabinett beschließt Korruptionstatbestand für Angehörige von Heilberufen
VPT-Bundesvorsitzender Karl-Heinz Kellermann: Wir begrüßen die Zielrichtung des Gesetzentwurfs.
Am
29. März 2012 hat der Große Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH)
entschieden, dass Kassenärzte, die sich eine bestimmte
Verschreibungspraxis „abkaufen“ lassen, straflos bleiben. Auf dieses
Urteil reagierten Medien und Öffentlichkeit teilweise mit großem
Unverständnis. „Denn es ist niemandem zu erklären, dass ein
angestellter Arzt, wenn er geschmiert wird, bestraft werden kann, ein
niedergelassener Arzt aber nicht“, argumentierte der
SPD-Gesundheitspolitiker Dr. Edgar Franke in der Aktuellen Stunde zur
Korruption im Gesundheitswesen am 28. Juni 2012 im Deutschen Bundestag.
Gut drei Jahre danach griff auch die Bundesregierung die Thematik auf
und beschloss am 29. Juli 2015 den Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung
von Korruption im Gesundheitswesen.
Dieser Entwurf des Bundeskabinetts sieht die
Einführung neuer Straftatbestände der Bestechlichkeit im
Gesundheitswesen und der Bestechung im Gesundheitswesen (§§ 299a, 299b
Straffgesetzbuch [StGB]) vor. Die Straftatbestände verfolgen einen
doppelten Rechtsgüterschutz: Die erste Tatvariante zielt auf den Schutz
des fairen Wettbewerbs im Gesundheitswesen ab und soll damit der ganz
großen Mehrheit der ehrlich arbeitenden und Korruptionsrisiken
vermeidenden Ärzte, Apotheker und sonstigen Heilberufsausübenden
zugutekommen. Die zweite Tatvariante dient dem Schutz des Vertrauens der
Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen. Mittelbar
soll der Straftatbestand auch die Vermögensinteressen der Wettbewerber
im Gesundheitswesen sowie der Patienten und der gesetzlichen
Krankenversicherung schützen.
Normadressaten sind sowohl die gesetzlich geregelten
akademischen Heilberufe Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Psychologische
Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und
Apotheker, als auch die Medizinalfachberufe, wie z. B. Gesundheits- und
Krankenpfleger, Ergotherapeuten, Logopäden und Physiotherapeuten sowie
Masseure und medizinische Bademeister, deren Ausbildung ebenfalls
gesetzlich geregelt ist. Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit
Geldstrafe müssen sie rechnen, wenn sie sich korrupt verhalten. In
besonders schweren Fällen ist eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis
zu fünf Jahren vorgesehen.
Zur Begründung, warum für Berufsträger der
Medizinalfachberufe das Fordern, Sich-Versprechen-Lassen oder Annehmen
eines Vorteils strafbewehrt sein soll, führt der Gesetzentwurf unter
anderem aus: „Auch nicht-ärztliche Heilberufsgruppen sowie Hersteller
von Medizinprodukten sind regelmäßig davon abhängig, dass Ärzte die von
ihnen angebotenen Leistungen verordnen und sie an der Behandlung von
Patienten beteiligen. Dies gilt umso mehr als die Erstattungsfähigkeit
nicht-ärztlicher Leistungen regelmäßig eine ärztliche Verordnung
voraussetzt. Damit liegt insbesondere bei der Ärzteschaft eine
Lenkungsfunktion von erheblicher volkswirtschaftlicher Bedeutung.“
Und weiter: „Zwar sind nicht-akademische
Heilberufsgruppen nicht in demselben Maß wie Ärzte und Apotheker in die
Ausgabenverteilung im Gesundheitswesen eingebunden. Sie haben
insbesondere für andere Leistungserbringer nicht dieselbe
wirtschaftliche Bedeutung wie diese. Das generelle Risiko unlauterer
Einflussnahme auf Entscheidungen nicht-akademischer Heilberufsgruppen
dürfte daher etwas weniger schwer wiegen. Hieraus kann aber nicht der
Schluss gezogen werden, dass korruptive Einflussnahmen auf Angehörige
nicht-akademischer Heilberufsgruppen und korruptiv beeinflusste
Verhaltensweisen im Bereich der nicht-ärztlichen Gesundheitsversorgung
weniger strafwürdig sind. Vielmehr sind die von nicht-akademischen
Heilberufsgruppen zu treffenden Entscheidungen und zu erbringenden
Leistungen für die Patienten und damit für die Gesundheitsversorgung
insgesamt in gleicher Weise wichtig und notwendig. Bei
Gesundheitsfachberufen kann es insbesondere zu korruptiven Absprachen
kommen, die die Weiterverweisung von Patienten an andere
Leistungserbringer zum Gegenstand haben, mit der Folge, dass andere
Leistungserbringer, die sich nicht auf solche Praktiken einlassen, im
Wettbewerb benachteiligt werden und sich Patienten nicht mehr darauf
verlassen können, dass die Entscheidung ausschließlich medizinischen
Erwägungen folgt und dem Patientenwohl dient. Es ist daher auch für
diese Leistungen mit den Mitteln des Strafrechts sicherzustellen, dass
sie wettbewerbskonform und frei von unzulässiger Einflussnahme erbracht
werden. Dies gilt umso mehr, als jedenfalls im Bereich der gesetzlichen
Krankenversicherung eine Übertragung ärztlicher Aufgaben auf
nicht-ärztliche Heilberufsgruppen zu beobachten ist (vgl. § 63 Absatz 3c
SGB V) und mit einer Ausklammerung dieser Heilsberufsgruppen
Schutzlücken entstehen würden.“ Damit sind die Modellvorhaben zur
Erprobung der Akademisierung der Berufe in der Logopädie, Physiotherapie
und Ergotherapie gemeint.
Karl-Heinz Kellermann, VPT-Bundesvorsitzender und
Vorsitzender der VPT-Landesgruppe Sachsen-Anhalt: „Lauteres Verhalten im
Gesundheitsmarkt zu fördern und korruptive Praktiken abzuwehren ist
richtig. Deshalb begrüßen wir die Zielrichtung des Gesetzentwurfs.“
Zum weiteren Verfahren: Die Bundesregierung wird die
Vorlage nun bis zum 14. August 2015 dem Bundesrat zustellen, der
voraussichtlich am 25. September 2015 Stellung dazu nehmen wird. Wenn
die Beratungen im Bundestag mit einer Anhörung, dem Gesetzesbeschluss
und einem zweiten Durchgang beim Bundesrat zügig folgen, könnte das
Gesetz Anfang 2016 in Kraft treten.
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