Montag, 21. September 2015

Freiberufler oder Gewerbe?

Physiotherapeuten sind unstrittig mit den beruflichen Einnahmen aus dieser Tätigkeit als freiberufliche Selbstständige steuerlich zu behandeln. Was passiert jedoch, wenn neben den physiotherapeutischen Einnahmen auch andere Einnahmen erzielt werden? Hier wurden nun höchstrichterliche Bagatellgrenzen aufgestellt, erläutert Steuerberater Andreas M. Bartsch. 
 
Das Einkommensteuerrecht behandelt Freiberufler anders als Gewerbetreibende. Ein wesentlicher Unterschied liegt in der Erhebung der Gewerbesteuer der Gemeinden auf die Gewerbebetriebe. Das Begehren der finanzschwachen Gemeinden, diese Subventionen genauer zu betrachten, liegt nahe. Einer der häufigsten Fallstricke für Freiberufler ist die von der Finanzverwaltung aufgestellte sogenannte Abfärbetheorie. Sie besagt, dass gewerbliche Einnahmen auf die freiberuflichen Einnahmen mit der Folge abfärben, dass die gesamten Einnahmen, also die gewerblichen UND die freiberuflichen Einnahmen, als gewerbliche Einnahmen der Gewerbesteuer zu unterwerfen sind.
Das kann geschehen, wenn der Freiberufler nicht erkennt, dass er sowohl gewerbliche als auch freiberufliche Einnahmen erzielt, und wenn er beide Einnahmen zusammen in einer Gewinnermittlung erfasst und gegenüber dem Finanzamt in seiner Steuererklärung einheitlich als freiberufliche Einnahmen erklärt. Soweit das Finanzamt eine genauere Überprüfung der einzelnen Umsätze, zum Beispiel im Rahmen einer Betriebsprüfung, vornimmt, kann eine Abfärbung der gewerblichen Einkünfte auf die freiberuflichen vom Finanzamt erkannt werden. Zumindest für den zurückliegenden, in der Regel drei- bis vierjährigen Prüfungszeitraum, können nun alle Einkünfte aus der freiberuflichen Praxis der Gewerbesteuer unterzogen werden. Je nach Gemeinde liegen die Gewerbesteuer-Hebesätze unterschiedlich hoch.

In Gemeinden, bei denen der Hebesatz 380 oder weniger beträgt, kann die Gewerbesteuer durch eine Ermäßigung der Einkommensteuer in Höhe des 3,8-fachen des Gewerbesteuermessbetrages sozusagen zurückgeholt werden. Liegt der Hebesatz höher, lastet die Differenz auf den Steuerpflichtigen. 

Einkünfte getrennt ermitteln
Die freiberuflichen und gewerblichen Tätigkeiten sind zu trennen, sofern dies nach der Verkehrsauffassung möglich ist (BFH-Urteil vom 2.10.2003, IV R 48/01, BStBl II 2004, 363). Betätigt sich eine natürliche Person sowohl gewerblich als auch freiberuflich und besteht zwischen den Tätigkeiten kein sachlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang, werden nebeneinander Einkünfte aus Gewerbebetrieb und aus selbstständiger Arbeit erzielt.
Aber auch wenn zwischen den Betätigungen gewisse sachliche und wirtschaftliche Berührungspunkte bestehen – also eine gemischte Tätigkeit vorliegt –, sind die Betätigungen regelmäßig getrennt zu erfassen (BFH-Urteil vom 11.7.1991, IV R 33/90, BStBl II 1992, 353). Sind die Einkünfte nicht bereits vom Steuerpflichtigen getrennt ermittelt worden, muss eine Trennung gegebenenfalls im Wege der Schätzung erfolgen (BFH-Urteil vom 18.1.1962, IV 270/60 U, BStBl III 1962, 131). Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seinem Urteil VIII-R-6/12 und bei zwei weiteren ähnlich gelagerten Fällen entschieden und Bagatellgrenzen aufgestellt. Danach soll keine Abfärbewirkung in den Fällen eintreten, bei denen die gewerblichen Einnahmen nicht mehr als 3 Prozent der Gesamtnettoeinnahmen betragen und zusätzlich den Betrag von 24.500 Euro im Veranlagungszeitraum nicht übersteigen. 

Unterschiede kennen
Gewerbliche Tätigkeiten können zum Beispiel dann auftreten, wenn ein reiner Warenverkauf vorliegt, wenn überwiegend kosmetische oder Schönheitsmassagen durchführt werden, wenn ein Bodybuildingstudio betrieben wird und die unterrichtende Tätigkeit nur die Anfangsphase der Kurse prägt und im Übrigen den Kunden Trainingsgeräte zur freien Verfügung stehen oder bei einem Fitnessstudio, wenn keine unterrichtende Tätigkeit vorliegt, wenn Kunden im Wesentlichen in die Gerätebedienung eingewiesen und im Training in Einzelfällen überwacht werden. Steuerberater Andreas M. Bartsch empfiehlt in jedem Fall, sich an einen Steuerberater zu wenden, um entsprechende vorbeugende Maßnahmen zu treffen.

"Werden vom Freiberufler auch gewerbliche Einkünfte erzielt, sind die Geschäftsvorfälle und Einkünfte sauber zu trennen, um ein Abfärben zu verhindern. Lassen Sie sich dazu auf jeden Fall steuerlich beraten!"
Andreas M. Bartsch, Steuerberater

Quelle: VPT Magazin, Nr. 02 Ausgabe SEP/OKT